«Autobahn-Bahnhof» auf der Gotthard-Raststätte

Die grösste Bahnhofuhr der Welt befindet sich im Kanton Uri. Die Regierungsräte Isidor Baumann und Marco Borradori (Tessin) haben sie am Mittwoch, 18. Oktober, zusammen mit SBB-Chef Benedikt Weibel in Erstfeld in Betrieb gesetzt. Damit ist der weltweit einzigartige «Autobahn-Bahnhof» ...
20.10.2006
et. Der Anlass war Auftakt zum 125-Jahr-Jubiläum der Bahnlinie über den Gotthard im Jahr 2007.

Habe ich die falsche Ausfahrt erwischt, oder wird hier gar mit versteckter Kamera ein Scherz getrieben? Solche oder ähnliche Gedanken dürften wohl so manchem Automobilisten durch den Kopf schiessen, der Fahrtrichtung Norden zur Gotthard-Raststätte abzweigt. Das Gelände hat nämlich derzeit viel Ähnlichkeit mit einem Bahnhof. Gleich neben dem Parkplatz befindet sich eine Cargo-Lok, an welcher zwei SBB-Speisewagen mit je 56 Sitzplätzen angehängt sind. Der eigentliche Clou aber ist die riesengrosse Bahnhofuhr am Ende der ganzen Komposition mit Abmessungen (14 auf 8,5 Meter), die weltweit einzigartig sind.

Für die Errichtung eines Bahnhofs quasi mitten auf der Autobahn gibt es plausible Gründe. Die Gotthard-Raststätte auf der Ostseite wird nämlich zurzeit umgebaut. Bis zu deren Wiedereröffnung im Juni 2007 dienen die zwei Waggonrestaurants als Ersatzverpflegungsort für die Reisenden und bringen so den motorisierten und öffentlichen Verkehr zusammen.

Überraschend, spannend und einzigartig

An der unmittelbar vor der Inbetriebsetzung des Megachronometers abgehaltenen Medienkonferenz thematisierte der Urner Regierungsrat Isidor Baumann denn auch die Verknüpfung der Verkehrsströme: «Die Geschichte des Gotthards ist Verkehrsgeschichte - und die Geschichte des Kantons Uri ist vom Gotthard und vom Verkehr geprägt. Die Gotthardbahn und der alpenquerende Verkehr haben die Entwicklung im Urner Reusstal bestimmt und geprägt - was und wie es ohne Gotthardbahn wäre, überlasse ich der Fantasie jedes Einzelnen.» Zum «Autobahn-Bahnhof» meinte Isidor Baumann: «Diese einmalige Plattform wollen wir im Rahmen des Jubiläums «125 Jahre Gotthardbahn» nutzen, um die SBB und den öffentlichen Verkehr wie auch die touristischen Angebote der Gotthardregion attraktiv unter die Leute zu bringen.» Die Bahnhof-Inszenierung sei überraschend, spannend sowie einzigartig und werde dadurch bestimmt eine grosse Beachtung im In- und Ausland finden.

Attraktive Jubiläumsveranstaltungen

Der Bahnhof Gottardo ist nur eines von vielen Projekten rund um das 125-Jahr-Jubiläum der Gotthardbahn. Obwohl die Detailplanung noch in vollem Gange ist, nahm der Urner Volkswirtschaftsdirektor die Gelegenheit wahr, drei Vorhaben kurz vorzustellen. Im Juni 2007 ist die Eröffnung des Bahnwanderwergs Bahn-Natur-Kultur geplant. Vorgesehen ist je ein Wanderweg in der Leventina (Airolo bis Biasca) und im Kanton Uri (Göschenen bis Erstfeld). In den Regionen wurden Trägerschaften gegründet, welche für die Umsetzung und Finanzierung dieser Projekte sowie deren Weiterführung nach dem Jubiläumsjahr verantwortlich zeichnen.

Nach dem grossen Erfolg mit «D Gotthardposcht» werden sich die Gotthard-Freilichtspiele im 2007 mit dem Thema «125 Jahre Gotthardbahn» beschäftigen. Als Spielort wird der seinerzeitige Originalschauplatz beim Bau der Bahn beziehungsweise des Tunnels auf den Abstellgleisen östlich des Bahnhofs Göschenen dienen. Von Anfang Juni bis Ende August soll es insgesamt 25 Vorstellungen geben.

Am 8. und 9. September 2007 sind in Erstfeld und Biasca grosse Publikumsanlässe mit Erlebnisausstellungen geplant. Zwischen diesen beiden Orten sind Gratisshuttlefahrten mit historischem und modernstem Rollmaterial vorgesehen. Über die konkreten Abläufe und Inhalte der Publikumsevents sowie über alle anderen Aktivitäten und Aktionen rund um das Jubiläum wollen die Verantwortlichen anfangs des nächsten Jahres ausführlich orientieren.

Bergstrecke unbedingt erhalten

Ganz ähnlich wie Uri ist auch der Kanton Tessin mit dem Gotthard verbunden. «Wären wir beim Arzt, würden wir sagen, dass der Gotthard unsere Hauptader ist. Er verbindet unser Herz und unseren Kopf, die beide in den Süden gehören, mit unserem Bezugsraum, den Tälern und der Hochebene der Alpennordseite», sagte Marco Borradori. Der Tessiner Regierungsrat forderte, dass die Bergstrecke unbedingt erhalten bleiben müsse, «denn diese Linie ist unabdingbar, damit unsere Alpentäler auch in Zukunft bewohnt bleiben und damit ihren Bewohnern würdige wirtschaftliche und soziale Lebensbedingungen gewährleistet werden können.» SBB-CEO Benedikt Weibel äusserte sich ebenfalls über die Zukunft der bald 125 Jahre alten Eisenbahnlinie. Noch sei nicht bis ins Detail klar, was aus ihr werde. «Wir wollen, dass das Eisenbahntrassee bestehen bleibt. Es muss die beiden Kantone und vor allem die beiden Talschaften weiter erschliessen», so Benedikt Weibel, der noch hinzufügte: «Die Gotthard-Bergstrecke soll nicht zur rein nostalgischen Touristenbahn verkommen. Dafür wären die Kosten für den professionellen Unterhalt und die Sicherheitsansprüche zu hoch.» Die SBB nähmen den kulturhistorischen Aspekt der Bergstrecke
sehr ernst. Zum 125. Geburtstag sei die Publizierung eines wissenschaftlich aufgearbeiteten, denkmalpflegerischen Inventars geplant. Auf dessen Grundlage könnten künftig Entscheide über Aus-, Um- und Rückbauten abgestützt werden.

Urs Hanhart


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