Erfolgsgeschichte endet nach 112 Jahren

35 Jahre lang steckte Vreni Aschwanden viel Herzblut in ihr Geschäft. Am Mittwoch, 30. Juni, schliesst Foto Aschwanden für immer.
29.06.2010
Bereits kurz nach Ladenbeginn um 9.00 Uhr strömen die ersten Kundinnen und Kunden ins Geschäft. Die acht Angestellten sind voll ausgelastet. «Bei so viel Kundschaft kommt mir nichts anderes als die Arbeit in den Sinn», so Fotofachfrau Claudia Gnos. Doch mit dem Geschäft passiert etwas: Heute Mittwoch schliesst Foto Aschwanden seine Türen. Für immer. Eine 112-jährige Familientradition geht damit zu Ende.

«Wir sind voll da - so lange es geht», lautet die Devise des eingespielten Teams. Bis heute Abend um 18.30 Uhr geht der Alltag noch weiter. «Nur in Gedanken sind wir schon am Aufräumen», gibt Vreni Aschwanden zu. Sie hat das Geschäft in der dritten Generation während 35 Jahren geführt. Die Kundinnen und Kunden fänden es zwar schade, dass das Geschäft schliesst. «Viele mussten jedoch zugeben, unser Geschäft in den letzten Monaten oder Jahren kaum besucht zu haben», weiss Vreni Aschwanden. Die gesamte Entwicklung in der Fotoindustrie sowie die Digitalisierung und der Durchbruch des Internets prägten in den vergangenen Jahren das Urner Traditionsgeschäft. «Obwohl wir viele Entwicklungen erfolgreich mitgemacht haben, ist der Ertrag Jahr für Jahr geschwunden.» Ein grosses Loch riss dann auch noch der Verlust des Passfoto-Geschäfts in die Kasse der bereits angeschlagenen Firma.

Fotogeschäft wird zur Kleiderboutique

Die 69-jährige Vreni Aschwanden wollte schon lange aufhören. Bereits vor sechs Jahren suchte sie eine geeignete Nachfolge. Gespräche mit auswärtigen, zum Teil grossen Geschäftsketten sowie mit Angestellten blieben erfolglos. «Ein reines Fotogeschäft ist in Uri einfach nicht rentabel», muss Vreni Aschwanden eingestehen.
Vor gut einem Jahr fällte sie dann den Entscheid: «Der richtige Zeitpunkt für eine Schliessung ist gekommen.» Ein Jahr lang investierte sie noch einmal ihre ganze Kraft in ihr Geschäft. «Innerlich hoffte ich immer noch, dass plötzlich jemand auftauchen und das Geschäft doch noch übernehmen würde», gibt Vreni Aschwanden zu. Tatsache ist aber: Ab Dezember wird im Ladenlokal von Foto Aschwanden ein Kleidergeschäft geführt. Die Boutique Martino verlegt ihren Standort von der Tellsgasse in die Schmiedgasse.

Mit dem Ende der Ära Foto Aschwanden geht in Altdorf ein Stück Tradition und ein Teil der Vielfalt an Geschäften verloren. «Mir geht es mit diesem Entscheid gut, obwohl ich das Geschäft und insbesondere den Kontakt zu meiner treuen Kundschaft sehr vermissen werde», erklärt Vreni Aschwanden.

Mit viel Herzblut hat sie vor 17 Jahren das Geschäft an der Schmiedgasse erneuert. Dafür liess sie extra Möbel designen, die viele Jahre für weitere Generationen halten sollten - nicht nur bis heute. In all den Jahren stellte die Geschäftsfrau ein gut funktionierendes Arbeitsteam zusammen, das für sie zu «einer kleinen Familie» wurde. Rund 35 Lernende hat Vreni Aschwanden in den 35 Jahren ausgebildet. Jetzt muss sie zum Teil langjährige Angestellte entlassen. Für die Lehrtochter konnte eine Stelle in Schwyz gefunden werden, die andern Angestellten sind zum Teil noch auf Arbeitssuche. Einige aber bleiben im Bereich Fotografie: So auch die Fotofachfrau Andrea Zgraggen: Im September eröffnet sie ein kleines Fotostudio in Erstfeld.

«Ich muss jetzt loslassen»

Wer ein Andenken an das Altdorfer Geschäft haben möchte, kann am kommenden Freitag und Samstag, 2. und 3. Juli, auf dem Flohmarkt alles von Dekomaterial über Fotorahmen und Spiegel bis hin zu Möbel und Spielsachen erstehen. Vreni Aschwanden will nichts davon behalten. «Ich muss jetzt loslassen.» Drei Monate hat die engagierte Geschäftsführerin Zeit mit allem abzuschliessen. Das Familienarchiv muss noch aufbereitet, die Räumlichkeiten komplett ausgeräumt werden. All das tut Vreni Aschwanden «mit schwerem Herzen, aber mit gutem Gewissen.» Schon heute freut sie sich auf das, was danach kommt: Endlich kann sie ihren Ruhestand auf den Eggbergen geniessen, wo sie seit einem Jahr ihren Wohnsitz hat. Die gewonnene Zeit will sie aber vor allem mit ihren Enkelkindern verbringen. «Dann habe ich auch Zeit für neue Projekte», erklärt Vreni Aschwanden.

Archiv ist wichtiges kulturelles Erbe

In den vergangenen Tagen wollten viele Kundinnen und Kunden ein letztes Mal das Traditionsgeschäft besuchen - vielleicht auch aus Nostalgie. Viele waren aber auch da, um ihre Bilder aus dem Archiv zu kaufen. Was nicht abgeholt wird, geht ans Staatsarchiv Uri. Dort werden die gesamten Fotos des Familienunternehmens Aschwanden archiviert. Der Kanton hat 2005 mit Unterstützung des Bundes das gesamte Fotoarchiv Aschwanden bis zum Jahr 2000 gekauft. Über 300`000 Bilder bis 1976 sind bereits im Staatsarchiv Uri zur Bearbeitung, weitere 300`000 bis 400`000 werden folgen. «Zusätzlich kommen die Aufträge der Jahre 2000 bis 2010 hinzu», betont Staatsarchivar Rolf Aebersold. «Der gesamte Archivierungsprozess ist ein Grossprojekt für das Staatsarchiv Uri.» 50 Stellenprozente sind extra für die Aufarbeitung genehmigt worden. Das gesamte Projekt ist auf 20 Jahre ausgelegt. «Das zeigt die Wichtigkeit des Fotoarchivs als kulturelles Erbe unseres Kantons», so Rolf Aebersold. Sämtliche übertragbaren Rechte der Bilder sind an den Kanton übergegangen. «Natürlich ist das Recht am eigenen Bild weiterhin gewahrt. Der Datenschutz ist uns sehr wichtig», erklärt Rolf Aebersold. Das heisst: Ein Porträt einer Person darf nicht ohne deren Einwilligung veröffentlicht werden. «Uns geht es darum, ein wichtiges kulturelles Erbe aus dem 20. Jahrhundert langfristig zu sichern, auch wenn Teile davon erst später verwendet werden können. Der Kanton hat deshalb das Fotoarchiv Aschwanden als unveräusserliches Eigentum gekauft», hält der Staatsarchivar fest.

Martina Regli


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